Samstag, 8. Februar 2014

Rezensionen über Blutfrost: "Die irre Rechtsmedizinerin"


 Büchermonster:






Krimi-Couch: 

Die irre Rechtsmedizinerin

Sie ist wieder da – Maria Krause, die durchgeknallte und labile Psychiaterin aus Odense in Dänemark. Und diesmal besser als im Vorgängerbuch „Totenzimmer“, in dem die Rechtsmedizinerin debütierte.

Auch dieses Mal wird es wieder persönlich für die Gerichtsmedizinerin. Nachdem sie bereits ihr Kind verloren hat knüpft sie sich diesmal ihren Bruder vor. Sie übertritt sämtlich Grenzen, um die Schuld ihres Bruders am Tod seines eigenen Säuglings nachzuweisen. Auch vor Selbstversuchen schreckt sie nicht zurück und beweist so die Eigenwilligkeit des Charakters, den Susanne Staun erschaffen hat.
Die dänische Autorin verwebt die Ermittlungen von Marie Krause mit dem Fall einer anonymen Briefeschreiberin, die die Rechtsmedizinerin an einer anderen Front fordert. Das Ganze liest sich sehr schnell, was auch in der Kürze des Buchs begründet liegt. Auch mit großzügigem Satz kommt das Buch gerade einmal auf 290 Seiten.

Das macht aber gar nichts, da die Autorin in ihrer gedrängten Darstellung einige interessante Punkte aufwirft und diese näher beleuchtet. So erfährt der Leser einiges über Gewalt in Familien, gegenüber Kindern und das Phänomen Münchenhausen by proxy.

Mit „Blutfrost“ ist Susanne Staun ein spannendes, informatives Buch gelungen, dessen Reiz auch in seiner Protagonistin Maria Krause begründet liegt. Wer sich mit diesem schwierigen und ungewöhnlichen Charakter arrangieren kann, bekommt einen packenden Roman serviert!



Montag, 13. Januar 2014

Blutfrost: Die Vorgeschichte



Ich werde all zu oft gefragt, wie ein bestimmter Roman entstanden ist und wie er sich unterwegs entwickelt hat.  In der Regel weiß ich das nicht mehr genau und murmle dann etwas, dass das wie mit Kindern sei:  Sie werden geboren, wachsen auf und ziehen aus, und man weiß danach gar nicht mehr, was in der Zwischenzeit passiert ist. Aber dieses Mal, bei Blutfrost (Originaltitel: Hilsen fra Rexville), kann ich mich sogar ungewöhnlich gut daran erinnern, und ich muss das also lieber aufschreiben, bevor ich es vergesse.  Here goes:
Bei der dänischen Krimimesse in Horsens im Jahre 2009 traf ich Dr. Steen Holger Hansen, einen der anerkanntesten Gerichtsmediziner Dänemarks.  Wie üblich traf sich die ganze „Krimibande“ von Autoren nach einem üppigen Abendessen zum Trinken im legendären Eydes Keller unmittelbar neben Hotel Jørgensen und stand dort dichtgedrängt zusammen.  Hier zeigte sich, dass Steen Holger und ich ein gemeinsames Interesse hatten: das Münchhausen-Stellvertretersyndrom, wobei Mütter Krankheiten bei ihren Kindern erfinden oder ihnen diese sogar selbst zufügen, um damit besonders bei Krankenhauspersonal Aufmerksamkeit zu erlangen.



Mein Redakteur, Niels, ich und Steen Holger mit Blutfrost auf der Krimimesse

Während ich in einem früheren Roman schon einmal das Münchhausen-Stellvertretersyndrom miteinbezogen hatte, ist es in Blutfrost Teil eines Katalogs von Morden, die von Frauen begangenen werden.  Frauen, die an Münchhausen-Stellvertretersyndrom leiden, sind meines Erachtens viel interessanter als Frauen, die aus Mitleid oder Gier morden, weil es an sich naturwidrig erscheint, dass Frauen, die Kinder gebären und betreuen, diesen bewusst Schaden zufügen sollten.  Aber es ist so:  Und je unverständlicher ein Phänomen ist, desto interessanter ist es.

Ich hörte sehr aufmerksam zu, als der gute Herr Gerichtsmediziner mit Anekdoten aus einer die Phantasie in den Schatten stellenden Wirklichkeit unterhielt, die eine Anekdote mehr erschütternd als die andere.  Leider konnte ich mich aber am darauffolgenden Tag wegen des erheblichen Weinkonsums des Vorabends nicht an recht viele Anekdoten erinnern.  Kann passieren.


 

Gerichtsmediziner Steen Holger Hansen.


Im Spätsommer 2010 traf ich wieder Steen Holger, dieses Mal bei einer Release-Party anlässlich Anna Grues jüngsten Romans über den glatzköpfigen Detektiv. (Die anderen Bücher in Annas Trilogie sind Die guten Frauen von Christianssund und Der Judaskuss.)  Steen Holger war anwesend, weil seine Freundin, die auch Rechtsmedizinerin ist, Anna mit forensischen Details für den neuen Roman geholfen hatte.  Hier setzten wir unsere Unterhaltung über Münchhausen auf sozusagen überraschend hautnaher Art und Weise fort: Steen Holger zeigte mir eine Narbe auf seinem linken Unterarm und erzählte, dass er sich die Narbe mit Abflussreiniger selbst hinzugefügt habe.   Der Hintergrund war ein Fall, der im Frühjahr 2011 langsam aber sicher immer mehr Aufmerksamkeit in der Presse bekam:

Steen Holger Hansens Narbe nach einem halben Jahr



Ein zweijähriges Mädchen war 2009 nach ihrem Mittagsschlaf mit Verätzungen auf ihrer ganzen Brust aufgewacht.  Es stellte sich heraus, dass es sich dabei um Ätzungen dritten Grades handelte, die wahrscheinlich von Abflussreiniger verursacht worden waren.   Die Mutter und ihr Partner bestritten jedoch, etwas damit zu tun gehabt zu haben.  Brandverletzungsexperten an der staatlichen Universitätsklinik „Rigshospitalet“ in Kopenhagen meinten, dass die Verletzungen bis zu acht Tage alt sein könnten.  Die Polizei fragte danach bei Steen Holger Hansen am gerichtsmedizinischen Institut an der Universität Kopenhagen an, ob er auf Grund seiner Erfahrung mit Ätzungen den Tatzeitpunkt besser einkreisen könne.  Sollte die Polizei mit einem Zeitraum von acht Tagen arbeiten, wäre die Anzahl der potentiellen Täter nämlich so groß, dass es fraglich wäre, ob der Staatsanwalt eine Anklage überhaupt erheben könne. Steen Holger entdeckte, dass es in der medizinischen Literatur keine Erfahrungen mit Langzeiteffekten von Ätzungsschäden gab, wahrscheinlich weil Menschen, die mit ätzenden Substanzen in Berührung gewesen waren, die Hautoberfläche sofort mit Wasser gespült hatten.




Signes Wundschorf während er noch schwarz-braun war


Er führte deshalb Ätzungsversuche auf seiner eigenen Haut durch.  Seine Versuche endeten damit, dass der Tatzeitpunkt auf die zwei Stunden eingekreist werden konnte, in denen das Mädchen auf dem Balkon zu Mittag geschlafen hatte.  Trotzdem wurden sowohl ihre Mutter als auch deren Partner im Stadtgericht Roskilde freigesprochen, und das obwohl das Gericht ausdrücklich feststellte, dass die Verletzungen von einem der beiden Angeklagten zugefügt worden waren.  Das Problem war schlichthin, dass Dänemark keine Urteile aufgrund kollektiver Schuld fällen kann.  Man muss schlüssig beweisen können, welche Einzelperson eine Untat, in diesem Falle die Misshandlung des Mädchen, ausgeführt hat.  Das Groteske an der Sache ist ausserdem, dass das kleine Mädchen heute bei ihrer Mutter und ihrem Stiefvater wohnt, weil beide gerichtlich freigesprochen wurden.
Ist es nicht in einem Rechtsstaat problematisch, dass hier die identifizierten Täter nicht nur straffrei ausgegangen sind, sondern noch dazu das misshandelte Kind behalten konnten?


Zum Zeitpunkt von Annas Fest war ein Berufungsverfahren am Landgericht eingeleitet worden.  Es war eine höchst seltsame Geschichte.  Ich konnte sie einfach nicht aus dem Kopf schlagen.  Man bleibt eben mental an Geschichten hängen, die echt mystisch sind. Steen Holger und ich waren uns ursprünglich einig, dass die Sache kein typisches Münchhausen-Bild zeichnete.  Und trotzdem.  Das Mädchen musste viele komplizierte plastische Operationen durchstehen, die jedes Mal langwierige Krankenhausaufenthalte und Nachbehandlungen erforderten.  


Signes Brust nach der dritten plastischen Operation

Beim Münchhausen-Stellvertretersyndrom handelt es sich wie gesagt um Aufmerksamkeitssucht, speziell Aufmerksamkeit von Krankenhauspersonal, und das bekam die Mutter ja unter den häufigen und postoperativ behandlungsintensiven Aufenthalten ihrer Tochter.

Es ist eine schreckliche und schrecklich spannende Sache.  Auf diesem Hintergrund alleine würde sie jedoch keinen spannenden Roman ergeben. Ich überlegte mir deshalb, wie meine fiktive Rechtsmedizinerin Maria Krause, die sich selbst so innerlich ein Kind gewünscht hatte, auf einen solchen Übergriff reagieren würde.  Ich fragte mich, welche Möglichkeiten in ihrem persönlichen Hintergrund wären, die der Geschichte die Form von Dynamik verleihen könnte, die ein spannender Roman fordert. Halt!  Jetzt sollte ich wohl nicht mehr erzählen, sonst könnte die Spannung verloren gehen...  Schluss, aus, vorbei.



Sonntag, 12. Januar 2014

Der letze Roman in der Trilogie: Helt til grænsen

Während diese Linien geschrieben wurden, erfuhr ich, dass der letzte Band in der Trilogie über Maria Krause, Helt til grænsen (deutscher Arbeitstitel: Grenzenlos), von der dänischen Kriminalakademie zum Palle Rosenkrantz-Preis für den besten internationalen Kriminalroman nominiert worden ist.  Ich bin froh und fühle mich beehrt!

Die anderen Nominierungen sind für Werke von Robert Galbraith, Philip Kerr, Henning Mankell und Andrew Taylor.

Helt til grænsen hat in Dänemark diesen Umschlag erhalten: 






Ohne zu viel zu sagen, kann ich verraten, dass Maria Krause am rechtsmedizinischen Institut in Odense, am Institut für Informatik in Kopenhagen und schließlich in Beirut by night bis zur äußersten Grenze geht.

Weekendavisen:
„Daß Staun ihren Kollegen gegenüber nicht gerade nett ist, liegt daran, daß sie so fließend, fehlerfrei und präzise schreibt und ihre Kollegen in der Ecke stehen lässt.  Wie in den beiden vorigen Büchern über Maria Krause ist Staun in Spitzenklasse, und sie sollte die Krimigesandte sein, die wir mit Stolz ins Ausland schicken.“

Politiken:
„Der abschließende Band von Susanne Stauns Triptykonom um die wackelnde Rechtsmedizinerin Maria Krause ist existentielle Spannung, mit sublimem Gefühl für Details und sicherem Blick für Überraschung.“

Information:
„Staun schreibt so witzig, dass man gerne Amylnitrit einatmen und sich in 400 Meter Klebeband einwickeln lassen will, bloß um gleichzeitig die Finger durch das weiche Katzenfell ihrer Sprache gleiten lassen zu können.  Ihre Maria-Krause-Trilogie ist ein Meilenstein in der dänischen Thrillertradition. Staun ist einfach gut.  Zerschmetternd gut.“

Ekstra-Bladet:

Helt til grænsen beginnt da, wo der grandiose Blutfrost aufhört, und setzt mit genau dem gleichen wahnsinnig hohen Niveau fort.“

Dagbladenes Bureau:
„Susanne Staun demonstriert wieder überzeugend, dass sie eine der sichersten Karten unter Dänemarks Krimiautoren ist.“


(Achtung: Die Verlagsrechte an Helt til grænsen sind bis jetzt noch nicht von einem deutschen Verlag erworben worden.)


Donnerstag, 9. Januar 2014

Totenzimmer


Totenzimmer ist der erste Roman in der Trilogie über die Gerichtsmedizinerin Maria Krause, und er ist positiv in Deutschland angekommen:


WDR 2 Bücher schrieb u.a.: "Die dänische Presse bejubelte den Roman als großartigen 'Feelbad-thriller'. Dem kann ich mich nur anschließen – obwohl ich mich beim Lesen eher gut gefühlt habe. Fassungslos, aber gut.

Andere Krimihelden und -heldinden haben vielleicht Probleme. Maria Krause hat richtig einen an der Klatsche. Und das macht Susanne Stauns Kriminalroman aus, der gleichzeitig höchst unterhaltsam, spannend, aber auch schwer verstörend ist. Denn Maria Krauses Macken sind zahlreich, ihr Verhältnis zu Männer und Sex dringend therapiebedürftig und vor allem politisch total unkorrekt. Aber sie ist eben auch eine brillante Medizinerin und eine Frau, die trotz ihrer psychischen Labilität genau weiß, was sie will. Klingt paradox, ist es auch, aber das Widersprüchliche an ihrem Charakter macht sie so glaubwürdig, und er hilft ihr am Ende dabei, die Frauenmörder von Odense zu stellen. Und sich im Hirn des Lesers zu verhaken. Ich warne Sie: Die Figur der Maria Krause werden Sie so schnell nicht wieder los."




Man kann Rezensionen bei booknerds.de, Die Welt und suite lesen, und diese hier:

"Über dieses Buch möchte man keine Rezension schreiben. Dieses Buch is so gut, dass man es einem Freund in die Hand drücken und sagen möchte: Lies das. Frag nicht, lies es einfach."


Es war fantastisch unterhaltsam, mit Totenzimmer Deutschland zu besuchen.  Wer hätte gedacht, dass das einen Heiratsantrag von Deon Meyer hervorbringen würde?



Oder dass ich die lustigste Krimiautorin der Welt, Tatjana Kruse, kennenlernen würde?





Hier hat sie sich für Halloween geschmückt. Mit Tatjana kann man sich fantastisch gut totlachen. Das kann ich aber auch ganz alleine, wenn das Mikrofon plötzlich all zu gut funktioniert:







Hier ist das in Verbindung mit einem Interview bei der Krimimesse in Horsens.  Von dort gibt es noch mehr amüsante Bilder, denn bei gleicher Messe lockte meine Kollegin, die gute Anna Grue, uns alle zusammen auf ihr Hotelzimmer um Absinth zu genießen, den sie von einem Schreibaufenthalt in Frankreich mitgebracht hatte. 




Im Hintergrund sitzt Gretelise Holm und trinkt ganz vorsichtig vom Glas.  Sowohl Gretelise als auch Anna sind Autorinnen mit Romanen, die in Deutschland erschienen sind, und sie sind Wahnsinnig nett.
Es war auch bei dieser Krimimesse, dass Totenzimmer den Harald-Mogensen-Preis für besten Krimi des Jahres erhielt und für den skandinavischen Preis Der gläserne Schlüssel nominiert wurde.  Hier bedanke ich mich: